Die Uhr

Ich trage wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir.
Wieviel es geschlagen habe, genau seh‘ ichs an ihr.
es ist ein großer Meister, der künstlich ihr Werk gefügt –
Wenn auch ihr Gang nicht immer, dem törichten Wunsche genügt.
Ich wollte, sie wäre rascher gegangen, an manchem Tag,
ich wollt, sie hätte manchmal verzögert, den raschen Schlag.
In meinem Freuden und Leiden, in Sturm und in der Ruh,
was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.

Sie schlug am Sarge des Vaters, sie schlug an des Freundes Bahr.
Sie schlug am Morgen der Liebe, sie schlug am Traualtar.
Sie schlug an der Wiege des Kindes, sie schlägt woll’s Gott noch oft,
wenn bessre Tage kommen, wie meine Seel es hofft.

Und ward sie auch manchmal träger, und drohte zu stocken im Lauf,
dann zog der Meister immer, großmütig sie wieder auf.
Und stünde sie einmal Stille, dann wärs um sie geschen,
kein andrer als der sie fügte, bringt die Zerstörte zum Gehn.
Dann müßt ich zum Meister wandern, der wohnt am Ende gar weit.
Wohl draußen, jenseits der Erde, wohl dort in der Ewigkeit.

Dann gäb ich sie ihm zurück, mit dankbar kindlichem Flehn;
Sie Herr, ich hab nichts verdorben, sie blieb von selber stehn.

(Ria Storch)